Da auch von Alters her die Vaterlandsliebe zum Geist des Schützenwesens zählt, färbten die gerade amtierenden politischen Machtverhältnisse auch auf das Leben innerhalb der Gilde ab. Vor allem das Preußentum hat wesentlich zum heutigen Erscheinungsbild der pseudomilitärischen Schützengilden und -bruderschaften beigetragen. Das Tragen von Paradeuniformen und selbst verliehenen Orden sind nur zwei der Überbleibsel.
Auch auf die Gilde färbte das Preußentum ab. Aus dem Gildemeister wurde ein Oberst und auch die anderen Mitglieder wurden mit diversen militärischen Dienstgraden versehen. Das Schützenfest imitierte fortan fürstliche Prunkveranstaltungen, so dass ein „Holtener Schützenkönig“ schon gut bei Kasse sein musste, um seinen Repräsentationspflichten nachkommen zu können.
Das Königsschießen zur damaligen Zeit fand in der Mergelkuhle an der Quickspring an der Drostenkampstraße statt. Da die Straße damals noch völlig unbebaut war, bestand für niemanden Gefahr. Auf der einen Seite des Weges errichteten die Schützenbrüder auf einer Wiese ihren Schießstand und schossen über die Straße hinweg auf stehende Zielscheiben und Vogelstangen, die in der Mergelkuhle standen. Viel Verkehr gab es damals nicht. Waren erst die wenigen Tagelöhner, die auf der Eisenhütte in Sterkrade arbeiteten, am frühen Morgen und späten Abend vorübergegangen, war die Drostenkampstraße sogar völlig menschenleer. In den letzten Jahrzehnten bis zum zweiten Weltkrieg wurde dann die Nohlensche Schützenwiese am Leiweg als Austragungsort des Königsschießens genutzt.
Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass auf dem Loh ein eigener Schützenverein für die dortigen Außenbürger entstand. Alteingesessene Familien wie Mattler, Derix, Henk und andere gründeten ihn damals. Da jedoch die Wirtschaft stockte und Holten ein eher kleines Städtchen war, konnte der neu gegründete Verein nur sehr wenige Mitglieder anlocken. So war es also nicht verwunderlich, dass sich der Schützenverein nach nur wenigen Jahren wieder auflöste. Seine Mitglieder schlossen sich der Holtener Gilde an.
Im Laufe der Jahre wurde die Gilde bürgernah. Jedes Mitglied bekam nun die Chance, die Königswürde zu erlangen. So jedenfalls der Augenschein. Im Hintergrund war man jedoch weiter darauf bedacht, dass nur ein zahlungskräftiges Mitglied die Königswürde erringen sollte und nicht etwa ein „unwürdiges“ Mitglied. Um das zu gewährleisten, nutzte man folgenden Trick: Alle Mitglieder durften auf den Rumpf des Vogels schießen, um die Königswürde zu erringen. Drohte der Rumpf jedoch bei einem der „Unwürdigen“ zu fallen, lud man einfach sein Gewehr mit einer Platzpatrone und der Schuss ging ins Leere.
Fiel der Rumpf, ritten die Adjutanten des neuen Königs zur auserwählten Königin, die schon in ihrer Wohnung wartete. Zur damaligen Zeit war es Tradition in Holten, dass sich ein evangelischer Schützenkönig eine Katholikin zu seiner Königin wählte und umgekehrt. Eine Tradition, die sich bis zum Ausbruch des 2. Weltkriegs gehalten hat. Der Schützenfestgottesdienst wurde damals wie heute wechselweise in den Kirchen beider Konfessionen abgehalten.
Wie beliebt die Schützenbruderschaft und auch das Schützenfest während des Preußentums waren, erkennt man am Beispiel der Holtener Schuljugend, die ihren eigenen Jugend-Schützenverein gründete. Ihr Schützenfest fand auf dem neuen Wall, der heutigen Parkanlage am Kastell, statt und wurde mit dem Flitzebogen ausgetragen. An diesem Tag wurde ein Tambourchor für zehn Groschen angeheuert und so zogen die Jugend-Schützen mit Pauken und Trompeten durch die Ortschaft. Doch der damalige Schulmeister Barlen brachte diesen jugendlichen Vergnügungen nur wenig Verständnis entgegen und soll oft den Rohrstock geschwungen haben. Vielleicht war dies einer der Gründe, warum dieser Jugend-Schützenverein nicht lange existierte und endgültig einging, als 1868 ein Brand im Theißenschen Saal Geräte, Ausrüstungen und Fahnen zerstörte.
Im Jahre 1894 stiftete der Deutsche Kaiser Wilhelm II. von Preußen[1] der Holtener Gilde eine Gedenkplakette, einen goldenen Adler, den die amtierende Königin von da an als Zeichen ihrer Würde trug.
Erwähnt werden sollte auch, dass das Königspaar von 1926 bis 1929, Mathias Horten und Hedwig Pohl, ein Begrüßungstelegramm an den damaligen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg[2] entsendete und auch eine Antwort erhielt. Die Originale der Telegramme sind bis heute erhalten geblieben. Kopien hängen im Clubraum des Kastells.
Fussnoten
- ↑ Wilhelm II., mit vollem Namen Friedrich Wilhelm Viktor Albert von Preußen, (* 27. Januar 1859 in Berlin, Preußen; † 4. Juni 1941 in Doorn, Niederlande) entstammte der Dynastie der Hohenzollern und war von 1888 bis 1918 Deutscher Kaiser und König von Preußen.
- ↑ Paul Ludwig Hans Anton von Beneckendorff und von Hindenburg (* 2. Oktober 1847 in Posen; † 2. August 1934 auf Gut Neudeck, Westpreußen) war ein deutscher Generalfeldmarschall und Politiker. Er war der zweite Reichspräsident der Weimarer Republik. Am 30. Januar 1933 ernannte er Adolf Hitler zum Reichskanzler.